»Ich trödele
niemals, es sei denn, ich nehme es mir vor«
Gastbeitrag von Antje
Diller-Wolff
„Wenn Frauen die scheinbar
ausschließliche Entscheidung zwischen Beruf und Kind
treffen, sind sie oft
unglücklich. Sie können sicher sein: ein wichtiger Teil ihres Lebens
wird bald fehlen, egal, welche
Wahl sie treffen.
In meinem Buch Rabenmütter und Heimchenväter - Von Frauen mit Kind im Beruf und Männern
in Elternzeit wollte
ich beide Seiten zeigen: die der berufstätigen Mütter, die
entgegen der landläufigen Meinung
nicht 100 Prozent geben, sondern 200. Außerdem
wollte ich Väter in Elternzeit
offen erzählen lassen, Männer, die bisher geliebte
Berufe ganz bewusst ausgesetzt
haben, während ihre Frau in Vollzeit dem Beruf
nachging.
Der Titel des Buches ist
natürlich provokant. Eine Rabenmutter – im Volksmund
eine schlechte Mutter – ist in
meinen Augen eine starke, liebevolle, Frau, die beides
liebt: ihre Familie und ihren
Beruf. Der Begriff »Heimchenväter« ist eine Eigenkreation
und aus dem »Heimchen am Herd«
entlehnt, ein Begriff, der bisher nur Frauen
beschrieb. In meinem Buch sind
die Männer die Heimchen in Elternzeit.
Der Begriff
»Rabenmütter« ist eher negativ belegt – sind Raben wirklich so schlechte Eltern?
Ganz im Gegenteil: Raben sind in
Wahrheit liebevolle und hingebungsvolle Eltern,
besonders in den ersten
Lebenswochen, wenn die Kleinen noch völlig hilflos sind.
Sie erziehen jedoch ihre Jungen
früh zur Selbstständigkeit, indem sie sie aus dem
Nest »ins kalte Wasser« werfen.
Dabei beobachten sie sie aus dem Hintergrund und
greifen ein, wenn es nötig ist.
Bekennende
»Rabenmutter« zweier Kinder und als erfolgreiche Medienfrau beruflich stark
eingebunden »Wie machst du
das nur?«
werde ich so oft gefragt. »Und zum Sport gehst du auch noch?« Mein Ärger über
diese Fragen mit dem latent vorwurfsvollen Unterton ist mittlerweile so groß,
dass ich zurückfragen möchte: »Und warum machst du das
nicht?«
Viele Menschen verstehen nicht,
wie es machbar ist, trotz eines Berufs intensive
Zeit mit den Kindern zu
verbringen. Es gehören viel Disziplin und Organisation
dazu. Während andere Mütter noch
schlafen, sitze ich schon am Schreibtisch.
Wenn sie abends vor dem Fernseher
aufs Sofa sinken, setze ich mich an meine Arbeit.
Auf dem Stepper im Fitnessstudio
erledige ich E-Mails und lese Fachliteratur.
Auf Autofahrten telefoniere ich
viel geschäftlich und pflege private Kontakte.
Bei
mir bleibt kaum eine Minute ungenutzt. Ich trödele niemals, es sei denn, ich
nehme
es mir vor.
Mein Tempo sei eines, bei dem man kaum mithalten könne, werfen
mir manche Frauen vor. Die, die
ähnlich schnell sind und es genauso machen,
sind gute Freundinnen und Geschäftspartnerinnen,
manche sogar beides. Und sie
haben Kinder. Mein Job erlaubt es
mir oft, mir meine Arbeitszeit einzuteilen. Das
bedeutet für mich, häufig zu
arbeiten, wenn andere noch schlafen oder schon Pause
machen.
Mir ist klar, dass dies nicht in
jedem Beruf möglich ist. Und es gehören Fleiß und
Disziplin dazu, die man
einbringen muss. Ich breche keinen Stab über die, die weder
diesen Kraftaufwand auf sich
nehmen möchten, noch das Tempo durchhalten.
Ich möchte aber betonen, dass es
möglich ist. Zu welchem Preis, muss jede Frau für
sich entscheiden. Ich verzichte auf vieles, um meine
wichtigsten Lebenssäulen zu
bewahren:
meine Ehe, meine Kinder und meinen Beruf.
Sie haben für dieses Buch zehn berufstätige Frauen und zehn Männer in Elternzeit interviewt.
Erzählen Sie uns
etwas über Ihre Interviewpartner – was für verschiedene Menschen haben Sie
getroffen?
Meine Interviewpartner arbeiten
in den unterschiedlichsten Berufen: Sie sind
Krankenpfleger, Autor,
Bundeswehrarzt, Orchestermusiker, Pädagogin, Managerin,
Künstlerin und Übersetzerin. Die
meisten Eltern in meinem Buch haben mindestens
zwei Kinder und ein stressiges,
aufreibendes Leben, mit allen Höhen und Tiefen,
die sich als Paar gut bestreiten
lassen. Aber nur, wenn Mann und Frau sich einig
sind. Es klingt so einfach, ist
aber das Schwerste überhaupt. Gelebte Gleichberechtigung
– dazu gehört auch, dass Frauen
gewisse Aufgaben und damit auchKontrolle abgeben.
den Beruf aufgab, als das
Jugendamt anrief und Zwillings-Babys adoptiert werden
konnten. Seine Frau leitete eine
große Abteilung, sie blieb im Beruf. Ein Orchestermusiker verrät, wie er es
schaffte, seine Bratsche tatsächlich im Schrank einzuschließen,
um sich um seine Tochter zu
kümmern. Ein Vater in Elternzeit berichtet,
wie aus ihm ein Tagesvater wurde,
er also in einen neuen Beruf einstieg.
Die Mütter in meinem Buch
sprechen offen über die schwere Last des schlechten
Gewissens, der Rechtfertigung,
der verzweifelten Abwehr gegen Anschuldigungen,
sie könnten ihre Kinder
vernachlässigen. Sie erzählen vom unsagbaren Glück, Beruf
und Kinder haben zu dürfen, aber
auch von der unbeschreiblichen Last, beidem
gerecht werden zu müssen.
Wenden wir uns
zuerst den Müttern zu: Was bewegt Frauen dazu, weiter ihrem Beruf nachgehen zu
wollen? Kann man da bestimmte Tendenzen erkennen, was Persönlichkeit, Bildung usw.
angeht?
Meine weiblichen Interviewpartner
haben Berufe, die ihnen sehr viel bedeuten,
und Kinder, die sie lieben. Sie
wollen beides und zerreißen sich dafür. Es ist nicht so
leicht, die Vereinbarkeit zu
leben. Es ist nicht so, dass alle Frauen ihre Emotionen
abschalten und kalt lächelnd
Karriere machen gehen.
Überhaupt ist dieses »Karriere
machen« so schrecklich überzeichnet. Viele Frauen
wollen sich im Beruf entwickeln,
streben nach mehr Verantwortung. Nicht alle
Mütter wollen
Vorstandsvorsitzende werden. Aber sie haben Ziele: privat wie beruflich.
Es kommen auch Frauen zu Wort,
die ihren Beruf behalten wollen, um unabhängig
zu bleiben. Frauen, die bei ihren
Müttern miterlebt haben, was es bedeutet,
vom Geld des Mannes abhängig zu
sein. Frauen heute machen sich eher Gedanken
über ein Leben im Falle einer
Scheidung. Sie möchten nicht nur fremdbestimmt
sein – weder durch Geld noch
durch Aufgaben zu Hause.
Vor welchen
Problemen stehen die berufstätigen Mütter? Was ist Ihrer Meinung nach wichtig, um
Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen?
berufstätigen Müttern scheint
jeder Zug negativ besetzt. Der Generalverdacht
schwebt über uns, wir würden
unsere Kinder vernachlässigen.
Frauen wie ich müssen immer
betonen, dass ihr Kind nicht zwangsläufig zu kurz
kommt, nur weil die Mutter
arbeitet. Der Alltag als 200-Prozent-Frau bringt michoft an meine Grenzen und manchmal
auch darüber hinaus. Die Zerreißprobe,
der
sich
berufstätige Mütter täglich stellen müssen, ist hart. Für dieses Buch
haben sie
ganz offen erzählt, wie der
Spagat machbar ist, wie oft sie an ihre Grenzen kommen
und was man gegen das schlechte
Gewissen machen kann. Ohne einen Mann, der
absolut hinter dem Konzept
Vereinbarkeit steht, geht es nicht. Den sollte man sich
rechtzeitig aussuchen, bevor man eine Familie
gründet!
Mit dem Thema »berufstätige Mütter und Väter in Elternzeit« treffen Sie den Nerv der Zeit.
Wie erklärt sich
diese Aktualität?
Das Elterngeld hat massiv dazu
beigetragen, dass Väter mehr Verantwortung übernommen
haben. Da den meisten die
Elternzeit viel gegeben hat und sich solche
Erfahrungen herumsprechen, gehen
auch mehr Männer in Berufspause, um die
Kinder zu erziehen.
Der demografische Wandel und der
verzweifelte Versuch in unserem Land, den
Familien das Kinderkriegen
schmackhaft zu machen, sind allgegenwärtig. Das traditionelle
Mutterbild muss aus den Köpfen
der Menschen verschwinden und durch ein moderneres ersetzt werden. Und
natürlich reden wir hier von kaum ausreichender
Kinderbetreuung und dem noch
langsamen Umdenken von Firmen, was
flexible Arbeitsplätze angeht.
Welche Faktoren, gesellschaftlichen Entwicklungen oder politischen Entscheidungen begünstigen, dass Mütter arbeiten und Väter immer öfter in Elternzeit gehen?
Das Elterngeld spielt nach wie
vor eine große Rolle und erleichtert manchen die
Entscheidung. Es fängt aber
vorher an: Eine Frau muss sich einen Partner suchen,
der ihre Pläne mitträgt und die
gleiche Einstellung hat wie sie. Bevor beide eine
Familie planen, müssen sie sich
einig sein, wie sie die Kindererziehung aufteilen
möchten. Das Glück, aber auch die
Belastung für ein Paar werden mit Kind größer,
die Anforderungen sind hart.
Berufstätige Mütter sollten sich
vernetzen und gegenseitig helfen, anstatt sich zu
bekriegen und gegenseitig
Lebensmodelle vorzuhalten. Arbeitgeber sollten Frauen
flexible Arbeitszeiten und
Heimarbeitsplätze anbieten, anstatt über Fachkräftemangel
zu jammern. Je mehr Frauen Kinder
bekommen, ohne ganz auf den Beruf zu
verzichten, und je mehr Väter
sich zu Hause einbringen, desto schneller wird das
Thema Vereinbarkeit endlich
eines, das beide angeht.
Das Buch ist ein
Spiegel der heutigen Gesellschaft, es zeigt sowohl die Entwicklung und das Umdenken
bei Vätern, aber auch die immer noch schwierige und nur schleppend anlaufende Akzeptanz
von arbeitenden Müttern. Wie könnte man Ihrer Meinung nach die gesellschaftliche
Akzeptanz von neuen Modellen stärken?
Ich fürchte, es braucht Zeit, bis
es »normal« wird. Da sich Frauen mit ihren unterschiedlichen
Modellen gegenseitig extrem
kritisch beäugen, dauert es, bis man ein
anderes Modell annehmen kann. Es
hilft schon allein, wenn sich die Männer immer
mehr einbringen und damit das
traditionelle Rollenbild mehr und mehr aufgeweicht
wird.
In Ihrem Buch
werden nicht nur unterschiedliche Geschichten erzählt, sondern auch
verschiedene Betreuungsmodelle vorgestellt. Welche sind das und was können
Mütter und Väter aus Ihrem Buch lernen?
Flexibles Denken ist auch bei den
Frauen unerlässlich. Sich zurückzulehnen und
festzustellen, dass der
Kindergarten leider nicht die erwünschten Arbeitszeiten abdeckt,
kann nicht das Ende eines Dialogs
mit einem potenziellen Arbeitgeber sein.
Bei manchen Müttern spüre ich
eine gewisse Erleichterung, wenn sie erzählen, dass
das mit der Stelle nicht klappt,
und sie dann kleinere Organisationsschwierigkeiten
als Grund dafür anführen, dass es
mit der Rückkehr in den Job immer schwierig ist.
Und dann gehen wieder ein paar
Jahre Hausfrauendasein ins Land, in denen die
Frau weiter Selbstbewusstsein verliert und immer
unsicherer wird.
Die Väter in diesem Buch, die
bewusst viele Monate in Elternzeit gegangen sind,
sprechen übereinstimmend von
»Verschwendung«, wenn ihre Frau nach Schulzeit,
Ausbildung oder Studium den
Riesensack an Bildung und Wissen einfach über
Bord wirft. Ihnen ist klar: Eine ausgeglichene Frau, die Bestätigung
auch außerhalb
der
Familie erfährt, tut sich und dadurch auch Mann und Kindern gut.
Väter in Elternzeit werden
Wiederholungstäter. Sie schwärmen davon, was ihnen
die intensive Zeit mit ihren
Kindern gegeben hat: an Erfahrung und an Bindung.
Außerdem die Erkenntnis, dass es
»das bisschen Haushalt« nicht gibt.
Sie möchten
Familien mit Ihrem Buch auch Mut machen, den eigenen Weg zu finden und zu gehen
– wodurch erreichen Sie das?
Durch die Vorbilder in diesem
Buch und die Erkenntnis, wie wichtig es für Frauen
von heute ist, ihre Berufung,
ihre Wünsche, ihre Ziele nicht einfach aufzugeben.
Unabhängigkeit steht und fällt
mit einem Partner, der mitzieht. Das gilt es früh vor
einer festen Bindung zu klären.
Viele Frauen denken immer noch, wenn erst einmal
ein Kind geboren ist, würden sie
den Gatten schon dazu bekommen, viele Aufgaben
in Haushalt und Erziehung zu übernehmen.
Vereinbarkeit von Familie und
Beruf ist mein Thema schlechthin und es war nur eine Frage der Zeit, bis ich es
endlich in einem Buch (Rabenmütter und Heimchenväter - Von Frauen mit
Kind im Beruf und Männern in Elternzeit ISBN-13: 978-3862652112) aufarbeiten konnte. „
Antje Diller-Wolff: Rabenmütter
und Heimchenväter - Von Frauen mit Kind im Beruf und Männern in Elternzeit
Das Buch erhalten Sie hier:
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