Im schweizer Tageanzeiger fand ich einen sehr interessanten Artikel über berufstätige Mütter und deren Alltag in den verschiedenen Ländern.
"Eine Carte Blanche von Peggy Wandel*.
Ab und zu spüre ich eine wohltuende Woge der Solidarität vonseiten anderer «working moms». Im Gespräch mit einer Zufallsbekanntschaft, mit Co-Mamis im Kindergarten oder mit einer Kundin beschleicht mich dieses seltsame Glücksgefühl. Als ob wir Teil eines Geheimbundes wären. Objektiv gesehen ist das Quatsch, die Weltbevölkerung besteht zu rund 50 Prozent aus Frauen. Was eint uns also im «Mütter-Club»? Darüber sprach ich mit berufstätigen Mamas auf der ganzen Welt.
«In Finnland arbeiten Büroangestellte in der Regel von 8 bis 16 Uhr», erklärte mir Petra aus Finnland. Als selbständige Kommunikationsberaterin hält es die 37-jährige genauso, so bleibt ihr anschliessend Zeit für ihre beiden Söhne (2 und 5 Jahre alt). Ein Betreuungsplatz für die Kinder wird von der finnischen Regierung garantiert und subventioniert, geöffnet sind die meisten Einrichtungen von 7 bis 17 Uhr. Für Alleinerziehende und Schichtarbeiter gibt es flexible Angebote, die teilweise rund um die Uhr geöffnet haben. «Wir haben ein wirklich gutes soziales System für Familien mit Kindern», meint Petra. Davon überzeugen mich spätestens die staatlichen Mutterschaftspakete. Schwangere erhalten solch ein «Rund-um-Paket» rechtzeitig vor der Geburt. Es enthält Babykleidung, Matratze und Bettbezug, Schlafsack, Schneeanzug, Windeln, Stilleinlagen, Kondome, Bilderbuch, Spielzeug und vieles mehr. Und die stabile Verpackung lässt sich notfalls als Babybett nutzen.
Das «Schoggi-Land» Schweiz schmeckt für berufstätige Mütter eher zartbitter als sahnig, meinte meine Freundin Reka. Die Ungarin und ihr Mann zogen vor einigen Jahren aus Süddeutschland in die Schweiz. Dort kam im Sommer 2011 ihr Sohn zur Welt. In Ungarn oder Deutschland hätte sie nach der Geburt drei Jahre pausieren können, der Arbeitsplatz bleibt solange garantiert. In der Schweiz erhalten Mütter nur eine Schonfrist von vier Monaten. Anschliessend kehren sie zurück in den Job oder nehmen eine Kündigung in Kauf. «Bevor mein Baby zur Welt kam, erschreckten mich diese Aussichten. Ich fragte mich, wie es normale Schweizerinnen schaffen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und für ihr Kind eine gute, bezahlbare Betreuung zu finden.» Inzwischen arbeitet sie selbst wieder ein bis zwei Tage die Woche und geniesst die restliche Zeit mit ihrem Kind. So geht es auch vielen ihrer Schweizer Freundinnen – sie kehrten nach vier Monaten in Teilzeit zurück und kosten es ganz bewusst aus, an diesen Tage über etwas anderes zu sprechen als über Brei und erste Zähne. Inzwischen kann Reka dem Schweizer Arbeitsleben auch positive Seiten abgewinnen. Im Gegensatz zu Deutschland oder Ungarn wird eine Frau zum Beispiel eher eingestellt, selbst wenn sie Mutter ist und womöglich alleinerziehend – schliesslich kann man sie auch wieder entlassen.
Galit aus Tel Aviv ist gross, attraktiv und temperamentvoll. Die zweifache Mutter betreibt ein Fachgeschäft für Haarkosmetik. «Zum Glück gehen meine Kinder inzwischen von 8 bis 15 Uhr zur Schule und ich bin die Geldsorgen wegen der Kinderbetreuung los», sagt sie. Für viele Eltern seien die Kosten der privaten Kleinkindbetreuung «wie eine zweite Hypothek». Pro Kind koste sie beinahe so viel wie die Miete. Das Leben in Israel ist allgemein sehr teuer, weshalb es im vergangenen Sommer erneut Demonstrationen gab gegen Wohnungsnot, hohe Steuern und Lebenshaltungskosten. Damals schimpfte auch Galit auf die Regierung und erklärte mir: «Wir sind ein kompliziertes Land mit grossen Sicherheitsproblemen und der Grossteil der Staatsgelder wird ausgegeben für die Armee.» Seit Tel Aviv vor wenigen Wochen unter Raketenbeschuss geriet, lebt die junge Mutter in ständiger Angst. Obwohl Terror und Gewalt nichts neues sind in ihrem Leben. Als im Golfkrieg 1991 Bomben auf ihre Heimatstadt fielen, ging sie selbst noch zur Schule: «Ich verliess das Haus nicht ohne Gasmaske, morgens packte ich sie zusammen mit Büchern und Stiften in meine Schultasche. Wenn die Sirene heulte, rannten wir für drei Minuten in den nächstgelegenen Schutzraum. Damals habe ich mir kaum Gedanken darüber gemacht.» Als Mutter erlebt sie die Bombenangriffe heute ganz anders: «Ich bin ständig angespannt, denn wir wissen nie, wann die nächste Explosion kommt. Wenn der Alarm ertönt und die Sirene mir in den Magen schlägt, überfällt mich eine irrsinnige Angst um meine Kinder, um meine Familie.»
Helsinki oder Zürich, Mumbai oder Melbourne: Ich sammelte Geschichten von Müttern auf der ganzen Welt, und keine glich der anderen. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner: Wir stehen alle vor der Herausforderung, Familie und Beruf bestmöglich unter einen Hut zu bekommen. Wie gut uns das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Von unserer familiären Situation, uns selbst und vor allem den nationalen Rahmenbedingungen. In jeder Hinsicht liefert der Blick über den Tellerrand spannende Impulse.
*Peggy Wandel wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Deutschland. Die Betriebswirtin arbeitet als selbstständige Texterin und ist bekennende Globetrotterin. Für ihr Buch «Zwischen Karriere und Krabbelgruppe» interviewte sie Freundinnen und Fremde und stiess dabei auf grosses Interesse am internationalen Austausch von Erfahrungen berufstätiger Mütter."
Quelle: http://blog.tagesanzeiger.ch/mamablog/index.php/27943/eine-reise-durch-die-welt-berufstatiger-mutter/
"Eine Carte Blanche von Peggy Wandel*.
Ab und zu spüre ich eine wohltuende Woge der Solidarität vonseiten anderer «working moms». Im Gespräch mit einer Zufallsbekanntschaft, mit Co-Mamis im Kindergarten oder mit einer Kundin beschleicht mich dieses seltsame Glücksgefühl. Als ob wir Teil eines Geheimbundes wären. Objektiv gesehen ist das Quatsch, die Weltbevölkerung besteht zu rund 50 Prozent aus Frauen. Was eint uns also im «Mütter-Club»? Darüber sprach ich mit berufstätigen Mamas auf der ganzen Welt.
«In Finnland arbeiten Büroangestellte in der Regel von 8 bis 16 Uhr», erklärte mir Petra aus Finnland. Als selbständige Kommunikationsberaterin hält es die 37-jährige genauso, so bleibt ihr anschliessend Zeit für ihre beiden Söhne (2 und 5 Jahre alt). Ein Betreuungsplatz für die Kinder wird von der finnischen Regierung garantiert und subventioniert, geöffnet sind die meisten Einrichtungen von 7 bis 17 Uhr. Für Alleinerziehende und Schichtarbeiter gibt es flexible Angebote, die teilweise rund um die Uhr geöffnet haben. «Wir haben ein wirklich gutes soziales System für Familien mit Kindern», meint Petra. Davon überzeugen mich spätestens die staatlichen Mutterschaftspakete. Schwangere erhalten solch ein «Rund-um-Paket» rechtzeitig vor der Geburt. Es enthält Babykleidung, Matratze und Bettbezug, Schlafsack, Schneeanzug, Windeln, Stilleinlagen, Kondome, Bilderbuch, Spielzeug und vieles mehr. Und die stabile Verpackung lässt sich notfalls als Babybett nutzen.
Das «Schoggi-Land» Schweiz schmeckt für berufstätige Mütter eher zartbitter als sahnig, meinte meine Freundin Reka. Die Ungarin und ihr Mann zogen vor einigen Jahren aus Süddeutschland in die Schweiz. Dort kam im Sommer 2011 ihr Sohn zur Welt. In Ungarn oder Deutschland hätte sie nach der Geburt drei Jahre pausieren können, der Arbeitsplatz bleibt solange garantiert. In der Schweiz erhalten Mütter nur eine Schonfrist von vier Monaten. Anschliessend kehren sie zurück in den Job oder nehmen eine Kündigung in Kauf. «Bevor mein Baby zur Welt kam, erschreckten mich diese Aussichten. Ich fragte mich, wie es normale Schweizerinnen schaffen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und für ihr Kind eine gute, bezahlbare Betreuung zu finden.» Inzwischen arbeitet sie selbst wieder ein bis zwei Tage die Woche und geniesst die restliche Zeit mit ihrem Kind. So geht es auch vielen ihrer Schweizer Freundinnen – sie kehrten nach vier Monaten in Teilzeit zurück und kosten es ganz bewusst aus, an diesen Tage über etwas anderes zu sprechen als über Brei und erste Zähne. Inzwischen kann Reka dem Schweizer Arbeitsleben auch positive Seiten abgewinnen. Im Gegensatz zu Deutschland oder Ungarn wird eine Frau zum Beispiel eher eingestellt, selbst wenn sie Mutter ist und womöglich alleinerziehend – schliesslich kann man sie auch wieder entlassen.
Galit aus Tel Aviv ist gross, attraktiv und temperamentvoll. Die zweifache Mutter betreibt ein Fachgeschäft für Haarkosmetik. «Zum Glück gehen meine Kinder inzwischen von 8 bis 15 Uhr zur Schule und ich bin die Geldsorgen wegen der Kinderbetreuung los», sagt sie. Für viele Eltern seien die Kosten der privaten Kleinkindbetreuung «wie eine zweite Hypothek». Pro Kind koste sie beinahe so viel wie die Miete. Das Leben in Israel ist allgemein sehr teuer, weshalb es im vergangenen Sommer erneut Demonstrationen gab gegen Wohnungsnot, hohe Steuern und Lebenshaltungskosten. Damals schimpfte auch Galit auf die Regierung und erklärte mir: «Wir sind ein kompliziertes Land mit grossen Sicherheitsproblemen und der Grossteil der Staatsgelder wird ausgegeben für die Armee.» Seit Tel Aviv vor wenigen Wochen unter Raketenbeschuss geriet, lebt die junge Mutter in ständiger Angst. Obwohl Terror und Gewalt nichts neues sind in ihrem Leben. Als im Golfkrieg 1991 Bomben auf ihre Heimatstadt fielen, ging sie selbst noch zur Schule: «Ich verliess das Haus nicht ohne Gasmaske, morgens packte ich sie zusammen mit Büchern und Stiften in meine Schultasche. Wenn die Sirene heulte, rannten wir für drei Minuten in den nächstgelegenen Schutzraum. Damals habe ich mir kaum Gedanken darüber gemacht.» Als Mutter erlebt sie die Bombenangriffe heute ganz anders: «Ich bin ständig angespannt, denn wir wissen nie, wann die nächste Explosion kommt. Wenn der Alarm ertönt und die Sirene mir in den Magen schlägt, überfällt mich eine irrsinnige Angst um meine Kinder, um meine Familie.»
Helsinki oder Zürich, Mumbai oder Melbourne: Ich sammelte Geschichten von Müttern auf der ganzen Welt, und keine glich der anderen. Dennoch gibt es einen gemeinsamen Nenner: Wir stehen alle vor der Herausforderung, Familie und Beruf bestmöglich unter einen Hut zu bekommen. Wie gut uns das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Von unserer familiären Situation, uns selbst und vor allem den nationalen Rahmenbedingungen. In jeder Hinsicht liefert der Blick über den Tellerrand spannende Impulse.
*Peggy Wandel wohnt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Deutschland. Die Betriebswirtin arbeitet als selbstständige Texterin und ist bekennende Globetrotterin. Für ihr Buch «Zwischen Karriere und Krabbelgruppe» interviewte sie Freundinnen und Fremde und stiess dabei auf grosses Interesse am internationalen Austausch von Erfahrungen berufstätiger Mütter."
Quelle: http://blog.tagesanzeiger.ch/mamablog/index.php/27943/eine-reise-durch-die-welt-berufstatiger-mutter/
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